Universal Design | Warum Barrierefreiheit wichtig ist
Wenn über die Themen Universal Design und Barrierefreiheit gesprochen wird, geht es meist um Menschen mit Behinderungen: sehbehindert, motorisch eingeschränkt oder gehörlos. Die Grenzen für Barrieren im Web lassen sich jedoch nicht so einfach auf diese Einschränkungen reduzieren. Oft liegen Barrieren bei der Benutzung von Websites oder Apps an ganz grundlegenden Details, die eine viel breitere Schicht von Nutzergruppen an der vollen Zugänglichkeit eines Angebots hindern. User Experience Designer Tillmann Dierichs gibt einen Überblick über unterschiedliche Arten von Barrieren und zeigt, wie das Nutzungserlebnis schon mit einfachen Mitteln für alle Webnutzer verbessert werden kann.
Was bedeuten Universal Design und barrierefreies Design?
Barrierefreies Design
Unter Barrierefreiheit wird allgemein die Gestaltung der Umwelt verstanden, so das sie von behinderten Menschen in der selben Weise genutzt werden kann wie von Menschen ohne Behinderung. Im Englischen wird dafür der Begriff „Accessability“ (Zugänglichkeit) genutzt. Die Anforderungen und Gestaltungsprinzipien an ein barrierefreies Web werden in den Web Content Accessibiliy Guidelines 2.0 des W3C dargestellt: Webinhalte sollten möglichst wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und technisch robust sein, so dass sie auch mit älteren Geräten und technischen Hilfsmitteln von Behinderten genutzt werden können.
Universal Design heißt: Gestalten für Alle
Universal Design (auch: „universelles Gestalten“ oder „Design für Alle“) strebt die Inklusion aller Menschen an, egal ob behindert oder nicht. Dabei geht es weniger darum, Sonderlösungen für „Extremfälle“ wie etwa blinde Menschen zu entwickeln (Screenreader o.ä.); es ist vielmehr wichtig, ein Design zu finden, dass allen Menschen – egal ob blind oder gehörlos – einen besseren Zugang zu Inhalten verschafft.
In Deutschland sind die Bezeichnungen „Barrierefreiheit“ oder „Design für Alle“ besonders gängig. Im englischen Sprachraum wird dagegen eher der Begriff „Universal Design“ genutzt. Trotz der unterschiedlichen Details bei den Kriterien haben beide Konzepte weitreichende Übereinstimmungen und können daher gemeinsam betrachtet werden.
Welche Barrieren im Web gibt es?
Es gibt viele „klassische“ Barrieren, welche die Nutzung einiger Webangebote stark einschränken oder sogar völlig verhindern. Dazu gehören visuelle Barrieren, die Menschen mit Sehbehinderungen oder der weit verbreiteten Rot-Grün-Schwäche ausschliessen.
Auditive Einschränkungen durch Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit, eine eingeschränkte Beweglichkeit der Nutzer oder Probleme beim Verstehen von Informationen durch Lese- oder Schreibschwächen. Auch technisch bedingte Hürden können das Nutzererlebnis stark einschränken. Dazu gehören eine mangelnde Browserkompatibilität oder die eingeschränkte Darstellung der Inhalte von verschiedenen Endgeräten.
Viel häufiger sind jedoch grundlegende alltägliche Probleme, die nicht nur Menschen mit Behinderungen treffen, und die den Nutzer vom Erreichen seiner Ziele abhalten kann:
Kleine Schriften: Viele Schriften sind zu klein, nicht lesbar und können nicht vergrößert werden
Schlechte Kontraste: Kontrastverhältnisse sind oftmals schlecht, wodurch sich die Lesbarkeit und Nutzung erschwert
Bedienelemente zu filigran: Buttons, Links etc. sind oft zu klein und schwer mit der Maus zu treffen. Viele Navigationselemente sind häufig nicht an Touch-Geräte angepasst, daher ebenfalls zu klein und schlecht zu bedienen
Schlechte Struktur und unklare Aufforderungen: Falsch strukturierte Informationen führen zu schlechter Auffindbarkeit. Unklare Begriffe z.B. bei Bestellprozessen führen zu Unsicherheiten, Fehlbedienungen und Abbrüchen.
Erste Schritte zu einem barrierefreien Webdesign
Zweifelsfrei ist es mit hohem Aufwand und Kosten verbunden, ein Angebot für alle Nutzer barrierefrei zu gestalten. Zudem ist eine konsequent barrierefreie Lösung, die für alle Nutzer funktioniert, kaum machbar. Es wird immer technische Hürden oder Menschen geben, die mit bestimmten Inhalten nicht zurecht kommen.
Dennoch ist es möglich, schon mit relativ wenig Aufwand Verbesserungen zu erreichen, von denen alle Nutzer profitieren, einschließlich einer großen Gruppe von Menschen mit Behinderungen („Quick-wins“). Diese ersten Schritte sollten nicht nur bei der Neuerstellung eines Angebots konzeptionell mitgedacht werden, sondern können auch schon für den Re-Launch eines bestehenden Angebots ergänzt werden.
Sinnvoll strukturierter HTML-Code gemäß aktueller Webstandards (z.B. durch die Verwendung von Strukturelementen, alt-Attributen etc.). Durch einen sauberen Code werden nicht nur assistierende Technologien wie Screenreader besser unterstützt, auch die Kompatibilität für eine breite Zahl von Benutzeragenten steigt.
Berücksichtigung im Design durch ausreichend starke Kontraste, optimale Lesbarkeit von Texten und die flexible Darstellung der Inhalte.
Abdeckung aller Endgeräte und optimale, flexible Darstellung der Inhalte durch Responsive Design.
Berücksichtigung der verschiedenen Bedienmöglichkeiten (Interaktionen mit der Maus oder mit den Fingern) und die damit verbundene Anpassung der Interface-Elemente.
Einhaltung fester Designregeln, Konzentration auf wesentliche Inhalte, ein strukturierter Aufbau sowie eine verständliche Aufbereitung von Textinhalten mit klaren Aussagen und prägnanten Formulierungen.
Weitere Ausbaustufen können einem definierten Vorgabenkatalog entsprechen (z.B. der WCAG oder BITV), um etwa die Ausgabe per Screenreader und anderer assistierender Technologien zu unterstützen. Eine Entscheidung hierfür hängt von den individuellen Inhalten, Funktionen und Zielgruppen des jeweiligen Webangebotes ab.
Geordnet nach den Kriterien der WCAG 2.0 (ohne auf technische Details näher einzugehen) können diese grob zusammengefasst sein:
Wahrnehmbarkeit: Textalternativen für grafische Inhalte, Untertitel für Audio- und Videodateien, Steuerbarkeit von sich bewegenden Elementen sowie der Verzicht auf dekorative Pixelgrafiken.
Bedienbarkeit: Vollständige Bedienung per Tastatur, Verzicht auf Timeouts, sowie Navigationshilfen bzw. alternative Orientierungsmöglichkeiten
Verständlichkeit: Erläuterungen von Fachbegriffen oder Fremdwörtern, Eingabehilfen und aktive Fehlervermeidung und Vereinfachungen von Kauf- und Registrierungsprozessen.
Robustheit: Maximale Kompatibilität, Kennzeichnungen im Code von Fremdwörtern und Zitaten, Alternative Darstellung bei deaktiviertem JavaScript etc.
Welche weiteren Schritte und Anforderungen konkret sinnvoll sind, kommt auf das jeweilige Webangebot und seine Zielgruppe an. Daher können und müssen die Punkte natürlich individuell priorisiert werden, um den besten Mittelweg zwischen Aufwand und Nutzen zu finden.
Mehrwert und Nutzen eines barrierefreien Webdesigns
In vielen Projekten wird aus Kostengründen und aus Angst vor deutlich höherem Aufwand das Thema Barrierefreiheit oft vermieden. Dabei liessen sich bereits mit vergleichsweise geringem Aufwand viele Hürden vermeiden. Die Vorteile von Barrierefreiheit sind vielfältig:
Verbesserte Reichweite
Durch Barrierefreiheit wird die Website für mehr potenzielle Benutzer zugänglich, und erschließt somit auch neue Kundengruppen, was wiederum für deutlich mehr Besucher sorgt. Durch die gesteigerten Zugriffe und einer höheren Konversionsrate kann – je nach Angebot – so auch Umsatz gesteigert werden.
Steigerung des Nutzwerts und des Images
Die qualitative Verbesserung steigert nicht nur die Attraktivität des Angebots für alle Nutzer; die damit verbundene Kundenorientierung fördert ausserdem die Vertrauenswürdigkeit bei den Nutzern.
Optimierung für Suchmaschinen
Aufgrund der Barrierefreiheit wird die Indexierung für Suchmaschinen erleichtert, was wiederum zu höheren Zugriffszahlen führt.
Kompatibilität
Durch das konsequente Einhalten von Standards wird die Kompatibilität verbessert. Es entstehen weniger Geräte- oder Browserspezifische Probleme.
Veröffentlichung am 19.02.2015, aktualisiert am 14.10.2020
Bildquelle: unsplash, Tirza van Dijk